Mathematische Institute
zur Behandlung
der Rechenschwäche / Dyskalkulie

Titel-Grafik: Oberteil eines bunten Würfels

München
Augsburg
Regensburg
Rosenheim

Mathematische Institute zur Behandlung der Rechenschwäche / Dyskalkulie, München – Augsburg – Regensburg – Rosenheim

Kriterien

Qualitätskriterien für Therapeuten

Qualitätskriterien für Dyskalkulie-Therapeuten und Therapie-Einrichtungen für Rechenstörungen

Rudolf Wieneke (wissenschaftlicher Leiter des ZTR Berlin)
Alexander v. Schwerin (Leiter des Mathematischen Instituts zur Behandlung der Rechenschwäche, München)

I. Palme (Landesbeauftragter des Bundesverbandes Legasthenie und Dyskalkulie in NRW) und P. Faigel (Universität Siegen) haben die von Lorenz immer wieder geforderten „TÜV-Kriterien“ für Dyskalkulie-Therapeuten und dyskalkulie-therapeutische Einrichtungen operationalisiert und für Eltern betroffener Kinder, aber auch für Jugendämter in Form eines Fragenkataloges bzw. einer Checkliste evaluierbar gemacht.

1. Spezialisierung auf Dyskalkulie-Therapien

Bereits in der Beschreibung über die „Handhabung des Kriterienkataloges“ mahnen die Autoren Grundsätzliches an:

„Voraussetzung ist, dass es sich um Einrichtungen handelt, die sich ausschließlich auf Dyskalkulie-Therapien spezialisiert haben.“

Die Forderung, dass lerntherapeutische Einrichtungen bzw. Lerntherapeuten sich auf ein Fach beschränken sollen, hat ihren Grund in dem, was ein Dyskalkulie-Therapeut leisten muss. Nach einem Hochschulstudium sind die Bereiche Grundlagen der Mathematik, intensive Studien in Mathematikdidaktik, Rezeption des Forschungstandes in Sachen Dyskalkulietheorie, Studium wichtiger Bereiche aus Psychologie, Erziehungswissenschaften, Neuropsychologie, Pädiatrie und Kinder- und Jugendlichen-Psychiatrie zu erarbeiten und die handwerkliche Einübung in eine wissenschaftliche Tätigkeit zu leisten.

Dieses Programm ist letztlich nur in einer mindestens zweijährigen Ausbildung mit intensiver Supervision zu schaffen (auch bei guter Vorbildung in Psychologie, Erziehungswissenschaft, Mathematik oder Medizin). Diese Fokusierung auf ein Fach ist nötig, um noch eine weitere Spezialität des Faches abzudecken: Dyskalkulieforschung ist nicht abgeschlossen und viele Forschungsaktivitäten gehen von Dyskalkulieinstituten aus (z.B. die Forschungs­kooperation des ZTR-Verbundes auf der Homepage www.ztr-rechenschwaeche.de mit dem Mathematischen Institut www.rechenschwaeche.de). Der Anteil universitärer Forschung ist im Falle Dyskalkulie sehr viel geringer als in vergleichbaren Fächern. Die Einrichtungen sollten daher auch daraufhin geprüft werden, ob sie sich an der wissenschaftlichen Forschung beteiligen, diesen Prozess befördern oder sich an der Reproduktion von wissenschaftlichen Plattheiten beteiligen (z. B. „Begreifen kommt von greifen“). Fn 1 

Die – um eine bissige Formulierung unter Dyskalkulie-Therapeuten zu gebrauchen – sog. „Gemischtwaren­läden“ (Legasthenie, Fremdsprachenlegasthenie, AD(H)S, Dyskalkulie, womöglich noch Blicktraining, Yoga, neurolinguistische Programmierung) werden die Kompetenz in der speziellen Disziplin „Dyskalkulie“ nicht aufweisen bzw. nicht in der Lage sein, diese notwendigen Kompetenzen herzustellen. Auch Ausbildungsgänge zum „allgemeinen Lerntherapeuten“, mit einem äußerst dürftigen Anteil an dyskalkulie-spezifischen Themen, reichen nicht aus, um nach allen Regeln der Kunst (lege artis) Dyskalkulie zu behandeln. Die Konstrukteure dieser Ausbildung bekennen auch, dass diese Ausbildung nicht ausreichend ist, um als Rechentherapeut tätig zu sein. Dies gilt ganz besonders auch für den „abgespeckten“ Lehrgang zum „lerntherapeutischen Trainer“.

2. Rechenschwäche ist kein Wahrnehmungs- und Konzentrationsproblem

Mit dem lapidaren Satz:

„Trainingsprogramme für Wahrnehmungs- und Konzentrationsübungen vermitteln keine mathematischen Basisfertigkeiten“

sprechen Palme / Faigel eine noch immer nicht durchgesetzte Einsicht an: Rechenschwäche ist kein Wahrnehmungs- und Konzentrationsproblem, weil diese Kinder sich auf andere Fächer problemlos konzentrieren können (es sei denn, es liegt ADS oder ADHS vor, aber dann ist dieses Problem und die Rechenschwäche zu behandeln) und bei anderen Fächern, wissenschaftlichen Gegenständen (Biologie, Geographie) oder ästhetischen Disziplinen (bildende Kunst, Musik) nicht in ihrer Wahrnehmung eingeschränkt sind. Die sog. kognitiven Stützfunktionen (Wahrnehmung, Konzentration, Gedächtnis) sind Voraussetzungen für jegliches Lernen und können daher schlecht zugleich vorhanden (in Deutsch klappt es) und absent (in Mathe geht alles schief) sein. Der beobachtbare selektive Gedächtnisausfall in Mathematik – heute geübt, morgen vergessen –, die eingeschränkte Konzentrations­fähigkeit auf das ungeliebte Fach, scheint zunächst denjenigen recht zu geben, die Defizite in den basalen kognitiven Voraussetzungen feststellen, diese Fehlleistungen sind aber Teil des Störungsbildes. Der selektive, nur fachspezifisch auftretende Gedächtnisausfall liegt daran, dass das Erinnerungsvermögen von rechenschwachen Kindern ohne jegliche logische Struktur „gerastert“ ist. So wenig wie Telefonnummern eine in sich logische Struktur aufweisen, so wenig „blicken“ rechenschwache Kinder in dem unverstandenen eingepaukten Sammelsurium von Regeln, Merkhilfen und verqueren – weil eigenproduzierten – Algorithmen durch. Und wenn in der Erinnerung alles durcheinander geht, gibt es auch das Problem, dass bei allem Willen zur Konzentration der Fokus fehlt, auf den man sich konzentrieren muss. Palme und Faigel greifen mit dem oben zitierten lapidaren Satz eine 40jährige unheilige Tradition der Sonderpädagogik an. Man hat sich nicht der Rechenstörung im engeren Sinne zugewandt, sondern Rechenschwäche immer als Teil basaler Wahrnehmungsstörungen verhandelt (ausgenommen die Marburger Schule um Kutzer et al.) Nur, mit der Förderung der visuellen Wahrnehmung lernt man nicht die Mathematik verstehen.

3. Welche Studienabschlüsse haben die Therapeuten?

Die Frage nach den Studienabschlüssen der Therapeuten stellen Palme / Faigel wie folgt:

„Haben die Therapeuten Abschlüsse als Psychologen? Lehrer? Sonderpädagogen? Heilpädagogen? Diplomsozialpädagogen? Sonstige Abschlüsse (Welche)? Beachten Sie bitte: Nur ein Team von fachlich qualifizierten Therapeuten verschiedener Fachrichtungen gewährleistet eine zielführende mathematische, pädagogisch-psychologisch fundierte Therapie.“

Die Kriterien des Landesjugendamtes Berlin präzisieren die qualitativen Anforderungen an Therapeuten. Diese Kriterien verlangen einen Abschluss als Hochschulabsolvent – womit einige heilpädagogische FH-Studiengänge ausgeschlossen sind – und bei Lehrern beide Staatsexamina. Die Abschlüsse sollten zudem in den sog. Kernfächern (Psychologie, Pädagogik) gemacht sein. Für das Fach „Dyskalkulie“ halten wir die „kernqualifikatorischen Bereiche“ für etwas zu eng ausgelegt. Diplomierte bzw. promovierte Mathematiker, Mediziner mit oder ohne Doktortitel hält der Autor für eine absolute Bereicherung eines interdisziplinär agierenden Therapeutenteams, wenn eine entsprechende Dyskalkulieausbildung unterstellt werden kann und die praktische Arbeit mindestens zwei Jahre supervidiert worden ist. Sinnvoll ist die Einschränkung auf Hochschulabschlüsse im Bereich Erziehungswissenschaften, Lehrerstudium, Psychologie, Mathematik und Medizin, weil das interdisziplinäre Therapeutenteam – in diesen Kernbereichen ausgebildet – so bestückt sein sollte. Mit Abschlüssen in musischen Fächern (Kunst und Musikgeschichte), Abschlüssen in sehr gegenstandsentfernten Studiengängen (BWL, Chinesische Sprache) ist die Vorbereitung auf eine dyskalkulietherapeutische Arbeit nur schwerlich gegeben. Außerdem stellen solche Team-Mitarbeiter keine Bereicherung fundierter interdisziplinärer Zusammenarbeit dar.

4. Für alle Therapeuten ist regelmäßige Fortbildung notwendig

Faigel / Palme stellen bezüglich der seriösen Fortbildung folgende Fragen:

„Haben die Therapeuten während der letzten Monate an Fortbildungsmaßnahmen teilgenommen? Waren es Fortbildungsmaßnahmen, die sich auf die therapeutische Tätigkeit im Förder-Institut bezogen? Bitte beachten Sie: Die Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen ist erforderlich, um sich über aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse zu informieren und diese in die Therapie von rechenschwachen Kindern mit einzubeziehen.“

Wir empfehlen noch weitere Fragen zu stellen: Hat die therapeutische Einrichtung ein eigenes Ausbildungs-Curriculum? Ist durch dieses Curriculum sichergestellt, dass neben der primären Ausbildung zum Dyskalkulie-Therapeuten die Rezeption der laufenden Forschung institutionell abgesichert ist? Eine weitere Frage wäre, ob neben der Primärausbildung die praktische Tätigkeit von einem individuellen Supervisor mindestens für 2 Jahre angeleitet und überwacht worden ist. Der ZTR-Verbund schlägt eine mindestens zweijährige supervidierte Arbeit in einer Dyskalkulie-Ausbildungseinrichtung (mit einem speziellen Ausbildungs-Curriculum) als Teil einer Regelausbildung vor. Die Praxis des Landesjugendamtes Berlin, Lerntherapeuten erst nach einer zweijährigen Berufspraxis in einer Beratungseinrichtung für Kinder- und Jugendliche anzuerkennen, betont die Wichtigkeit eines supervidierten „training on the job“. Die Qualifikation zum Dyskalkulie­therapeuten ist mithin nicht durch Zahlungen an einen Franchisegeber, nicht durch die Verleihung eines Prädikates von Nachhilfeeinrichtungen nach einer Fortbildung an zwei Wochenenden „erwerbbar“, aber auch nicht durch Gründung einer Gesellschaft mit einem ausgebildeten Therapeuten auf andere Gesellschafter „übertragbar“.

5. Die Therapie muss darauf ausgerichtet sein, die Inhalte der Mathematik zu verstehen!

Neben den Fragen nach unseriösen Vertragslaufzeiten, der Selbstverständlichkeit des regelmäßigen Elterngesprächs, der absoluten Notwendigkeit der Kooperation mit der Schule und den Fachlehrern (Ergänzung: in nicht wenigen Fällen sollte auch der Kontakt zu behandelnden Ärzten gesucht werden), der Erstellung einer individuellen Diagnostik mit entsprechender individueller Fehlerdiagnostik empfehlen Palme und Faigel noch eine letzte, aber entscheidende Frage zu stellen:

„Fragen Sie nach, ob die Therapie darauf ausgerichtet ist, die Inhalte der Mathematik zu verstehen! Ist die Therapie darauf ausgerichtet, die Grundrechenarten so verständlich in der Vorstellungswelt des Kindes zu verankern, dass Mengenhandlungen vom Kind selbstständig vorgenommen werden können? ... Beachten Sie bitte: Ihr Kind soll eine klare Vorstellung von Zahlen und Mengen entwickeln und verinnerlichen. Der Umgang mit den Grundrechenarten soll ermöglicht werden, denn Ziel der Therapie sollte sein, dass Ihr Kind Anschluss an den Schulstoff erhält, damit ein erfolgreicher Abschluss seiner Schullaufbahn möglich wird.“

Diese Frage scheint fast überflüssig, ist sie aber nicht. Im Kern geht es darum, ob nachprüfbar, evaluierbar die Therapie gesichert zum Ziel führt. Nicht selten erleben wir in unserer praktischen Arbeit, dass keine durchgehenden, evaluierbaren Testungen zu jedem Therapieabschnitt den Eltern vorgelegt wurden. Nicht selten haben wir erlebt, dass das therapeutische Handeln darin bestand, dass nach Wahrnehmungs- und Konzentrationstraining der „normale“ Unterricht durch „normale“ Lehrer im Nebenjob als Therapie geschönt wurde. Dyskalkulietherapie verantwortungsvoll zu betreiben, geht nicht als Nebenjob. Nicht selten haben wir erlebt, dass das Resultat einer Therapie wie folgt aussah: Der ehemalige Dyskalkulierer ist beim mechanischen Rechnen perfekt, klappt aber bei jeder das Mathematisierungs­vermögen unterstellenden Anforderung (z. B. Textaufgaben) in sich zusammen. In diesem Falle hat man den ehemals fingerrechnenden Konkretisten hin zum begriffslosen Mechaniker „ver-therapiert“. Man half dem dyskalkulierenden Kind, die nächste Phase in seinem Curriculum vitae als rechenschwacher Schüler einzuleiten.

Eltern sollten daher darauf achten, dass im Therapieprozess adäquat zum rezipierten Stoff das Mathematisierungsvermögen ausgebildet wird. Auf letzteres kommt es an, um dem Prädikat „non scolae sed vitae discimus “ (Für das Leben, nicht für die Schule lernen wir!) gerecht zu werden. Herstellung der Ausbildungsfähigkeit, Herstellung der souveränen mathematischen Kompetenz um Lebens- und Berufssituationen zu meistern, ist die Kernkompetenz, die Dyskalulietherapeuten im lernanalytischen Kooperationsprozess herzustellen haben.


Fn 1  Genau genommen handelt es sich nicht um eine Plattitüde, sondern um eine Fehlinterpretation des Problems, denn „Begreifen“ meint die abstraktive Fähigkeit sich „einen Begriff der Sache“ zu machen. Die intellektuelle Tätigkeit der Begriffsbildung hat mit dem konkretistischen Greifen nicht das Mindeste zu tun, weil die, die „schwer von Begriff“ sind , nicht an Dyspraxie (unpraktisches, unkoordiniertes Handeln) leiden, sondern Schwierigkeiten in diesem Abstraktionsprozess haben. In dieser groben Fehlinterpretation der Schwierigkeiten von rechenschwachen Kindern steckt auch noch ein Lob des Konkretismus. Natürlich ist das Konkretum Ausgangspunkt des mathematischen Lernens, aber nur um die Anschauung zu theoretisieren, das Konkrete intellektuell zu verarbeiten. Das rechenschwäche-typische Sistieren im Konkretismus, das „Sich-nicht-lösen-können“ von Anschauungsmitteln ist das, was überwunden werden muss. Das konkretistische Greifen führt hier gerade nicht zum Begriff.


Die Internet-Adresse dieses Textes lautet:
https://www.Rechenschwaeche.de/Arbeitsweise/Qualitaet_Therapeuten_Druck.html

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Wir behandeln Rechenschwäche bzw. Dyskalkulie (auch „Arithmasthenie“ genannt) in München, Augsburg, Regensburg, Rosenheim und jeweiliger Umgebung seit 1989.

So sind wir erreichbar: im Institut in der Brienner Straße 48, 80333 München, sowie an allen Therapieorten unter Tel. 0180/3001699 (9 Ct/min) oder unter Tel. 089/5233142, Fax 089/5234283, per E-Mail an „Institut[at]Rechenschwaeche.de“.

Das Institut ist in Bayern in vielen Orten vertreten, u.a. in Augsburg, Herrsching, Holzkirchen, Kirchheim-Heimstetten, München (4x), Ottobrunn, Puchheim, Regensburg, Rosenheim, Unterhaching und Unterschleißheim.

Stand: 2024-03-11